2025-06-02
„Ich habe nicht nur ein Kind verloren – ich habe einen Teil von mir verloren, den niemand sehen kann. Aber ich spreche darüber, weil Schweigen noch mehr weh tut.“
Ein einfühlsamer Beitrag über Fehlgeburten, Abschied, Trauer – und die stille Kraft der Heilung
Es gibt Momente im Leben, für die es keine Worte gibt. Wenn ein kleines Herz, das gerade erst zu schlagen begonnen hat, wieder still wird – noch bevor es sich der Welt zeigen konnte – bleibt etwas zurück, das sich schwer beschreiben lässt: Leere. Schmerz. Vielleicht auch Schuld. Und vor allem: Schweigen.
Denn über Fehlgeburten wird kaum gesprochen. Viele Frauen erleben sie – manche ganz am Anfang der Schwangerschaft, andere zu einem späteren Zeitpunkt – doch die meisten tragen diesen Verlust ganz allein in sich. Und mit dem Schweigen wächst oft auch das Gefühl: „Ich darf nicht traurig sein. Es war doch noch so früh.“
Aber das stimmt nicht.
Es war dein Kind.
Du hast es gespürt, vielleicht schon geliebt, vielleicht schon mit ihm gesprochen, Pläne gemacht, Namen gedacht.
Und plötzlich war alles anders.
Dein Verlust ist real. Deine Trauer ist berechtigt. Und du darfst dich verabschieden.
In vielen Kulturen ist es selbstverständlich, auch ganz kleine Seelen zu ehren. In Japan gibt es zum Beispiel die Jizō-Rituale: Für jedes verlorene Kind – ob durch Fehlgeburt, Frühgeburt oder später – wird eine kleine Figur aufgestellt, geschmückt mit Mützchen und Kleidung. Eltern sprechen mit ihr, bringen Blumen, schreiben Briefe. In Südamerika lassen viele Frauen bei frühen Fehlgeburten Blumenkränze in einem Fluss oder Bach treiben – ein stiller, symbolischer Abschied. Und in manchen indigenen Kulturen gibt es Begräbnisse für Sternenkinder, auch wenn sie nie lebend auf die Welt kamen – weil man sagt: „Ein Kind, das das Herz einer Mutter berührt hat, gehört zur Familie.“
Und genau das ist wichtig:
Dein Baby darf in deinem Familiensystem seinen Platz haben.
Egal, ob es acht Wochen, zwölf oder mehr gelebt hat – es war da. Und es hat etwas bewegt.
Was du tun kannst, wenn du einen frühen Verlust erlebt hast:
🌸 Rituale schaffen
Ein Brief an dein Kind, ein kleiner Blumenstrauß im Wald, ein Stein mit einem Namen darauf, ein Licht, das du abends entzündest. Du kannst ein Abschiedsritual für dich ganz allein gestalten – oder deine Familie, deine Kinder, deinen Partner miteinbeziehen. Vielleicht magst du eine kleine Gedenkecke einrichten – mit einer Kerze, einem Kuscheltier, einem Bild, einem Symbol.
🖍️ Gestalten hilft
Mal ein Bild. Schreib ein Gedicht. Bastel etwas. Ausdruck hilft, wenn Worte fehlen.
📚 Sprich darüber
Mit jemandem, dem du vertraust. Sag: „Ich habe ein Kind verloren.“ Du wirst überrascht sein, wie viele Menschen Ähnliches erlebt haben – und wie heilend es sein kann, gehört zu werden.
🧘♀️ Erlaube dir Trauer – aber auch Leichtigkeit
Es darf Tage geben, an denen du lachst. Und welche, an denen du weinst. Du musst dich nicht entscheiden. Trauer ist nicht linear. Und sie kommt in Wellen.
🫂 Such dir Unterstützung
Auch wenn viele sagen: „Das ist doch etwas ganz Natürliches“ – das bedeutet nicht, dass es dich nicht tief erschüttert. Lebens- und Sozialberatung kann genau hier helfen: einen Raum zu bieten, in dem alles sein darf. Ohne Urteil. Ohne „du solltest“. Sondern mit Verständnis, Erfahrung und einem offenen Herzen.
In meiner Praxis begleite ich Frauen – und auch Männer – durch diese stille Form des Abschieds. Manchmal ist es einfach nur ein Zuhören. Manchmal ein Ritual, das wir gemeinsam gestalten. Manchmal ein Gespräch, das endlich Raum gibt für das, was nie ausgesprochen wurde.
Denn auch Väter trauern. Auch Partner*innen sind betroffen. Auch sie fühlen den Verlust, oft still und im Hintergrund – aus Angst, den Schmerz der Frau nicht noch größer zu machen. Doch Trauer will geteilt werden.
Ein Kind, das gegangen ist, bleibt Teil eurer Geschichte.
Vielleicht wird es ein Stern am Fenster.
Vielleicht ein Name, den nur ihr kennt.
Vielleicht ein Licht, das jeden Abend für ein paar Minuten brennt.
Was auch immer du wählst – wisse:
Du musst diesen Weg nicht allein gehen.
Es gibt Hilfe. Es gibt Halt. Und es gibt Hoffnung.
🕯️
In Liebe und Verbundenheit
Sonja Wallner
Lebens- und Sozialberaterin mit Erfahrung, Gefühl und offenen Händen für alle, die gerade leise trauern.
Admin - 11:14:36 @ "erinnerungs-würdig"
|
Kommentar hinzufügen
Kommentar hinzufügen
Die Felder Name und Kommentar sind Pflichtfelder.